Filmkritiken

"Deine Juliet": Ein literaturbegeisterter Schweinezüchter

Die Lesegewohnheiten der britischen Landbevölkerung in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre bieten offenbar ausreichend Stoff für Romane und Romanverfilmungen. Erst kürzlich hat im Kino Florence Green ihren Herzenswunsch verwirklicht und in einem verschlafenen britischen Küstenort einen Buchladen eröffnet. Nun sind es Dorfbewohner einer Kanalinsel, die uns durch ihre Lektüreleidenschaft überraschen.

Die Leute auf Guernsey beweisen offenbar Sinn für Humor, da sie ihren Buchklub „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ nennen. Doch dahinter steckt eine sehr ernste Angelegenheit: der Name entstand aus einer spontanen Erfindung, um bei einer nächtlichen Kontrolle die Nazis zu täuschen. Die Deutschen hielten Guernsey im 2. Weltkrieg nämlich besetzt und wollten es zu einer Festung ausbauen.

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Besuch auf der Insel

Die fünf unfreiwilligen Buchklub-Mitglieder entdecken durch ihre Notlüge jedenfalls die Freude an bedruckten Seiten. Der Lesezirkel besteht auch nach Kriegsende fort und ein wortgewandter Schweinezüchter tritt brieflich in Kontakt mit der jungen aufstrebenden Autorin Juliet aus London. Die ist von den ungewöhnlichen Bücherfreunden so angetan, dass sie ihnen einen unangemeldeten Besuch abstattet, um über sie einen Artikel in der Times zu schreiben.  Bald merkt sie aber, dass die Inselleser etwas vor ihr verheimlichen und beginnt Nachforschungen anzustellen, wodurch in etlichen Rückblenden Stück für Stück die Geschichte der eigentlichen Gründerin des Klubs ans Licht kommt.

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Kriegsdrama mit Romanze

Man hat den Eindruck, der Film kann sich nicht so recht entscheiden, worauf er eigentlich hinauswill. Der vielseitige Regisseur Mike Newell ("Vier Hochzeiten und ein Todesfall", "Prince of Persia", "Donnie Brasco", "Harry Potter und der Feuerkelch") bietet keine schrullige Komödie, auf die uns der Originaltitel "The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society" einzustimmen scheint, sondern eher ein  Kriegsdrama, das mit einer Romanze garniert wurde und zugleich vom künstlerischen Durchbruch einer Autorin erzählt. Die Frage, ob sich Juliet schließlich für einen reichen Amerikaner entscheidet, dessen protzigen Verlobungsring sie nur ganz kurz am Finger trägt, oder doch den feschen Schweinebauern vorzieht, kann uns jedenfalls nicht lange beschäftigen, weil von vornherein klar ist, wie alles enden wird. Das ist eben eine Romanverfilmung und die Figuren wirken auch wie Papiergeburten, die zwar im Buch stehen, aber nicht im wirklichen Leben anzutreffen sind.

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Lily James bleibt  in den 40er Jahren

Lily James haben wir erst heuer in einer ganz ähnlichen Rolle gesehen: als Churchills Sekretärin in "The Darkest Hour" wurde sie bereits in die 40er Jahre versetzt und konnte ihre Kleidung aus diesem Film hier vielleicht gleich weiterverwenden. Die zwei Figuren sind auch charakterlich kaum voneinander zu unterscheiden: in beiden Werken spielt sie eine ziemlich schüchterne Frau, die aber im richtigen Moment doch Stärke zeigt und eigenwillig sein kann. Hinzu kommt, dass diese Person fast jeden Satz durch "Huch", "Ach", "Oh" oder ähnliches Geseufze anreichert, was ganz schön beschwerlich mitanzuhören ist. Zumindest in der deutschen Fassung verhält sich das so, aber auch im Original dürfte es nicht anders sein, denn ein Kommentator auf imdb.com schreibt vom „breathy acting style of Lily James

Kulinarisch ist hier ebenfalls nicht viel herauszuholen: Das Rezept für den Erdäpfelschalenauflauf wird zwar bekannt gegeben, aber wir geraten bestimmt nicht in Versuchung, es nachzukochen, weil Juliets Reaktion auf einen kleinen Bissen davon gleich alle Lust vergehen lässt.

2 ½ von 5 verfilmten Buchseiten

franco schedl