Filmkritiken

"Death Wish": Selbstjustiz auf Teilzeitbasis

Der Tarantino-Freund Eli Roth hat sich auf Remakes von trashigen Kultfilmen aus den 70er Jahren verlegt. Vor ein paar Jahren ließ er zwei böse Mädchen an Keanu Reeves Tür klopfen („Knock Knock“) und das feministisch-sadistische „Death Game“ aus dem gleichnamigen Film von 1977 konnte wieder von vorne beginnen.

Auf Bronsons Spuren

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Derzeit ist hingegen Selbstjustiz angesagt: 1974 hatte Charles Bronson nach dem Mord an seiner Frau rotgesehen und seinem „Death Wish“ nachgegeben, indem er reihenweise Kriminelle ins Jenseits beförderte. Jetzt übernimmt Bruce Willis die Rolle des schussfreudigen Verbrecherschrecks. Die Geschichte wurde diesmal nicht in New York, sondern in Chicago angesiedelt, wo die Kriminalitätsrate schwindelerregend hoch ist. Die Hauptfigur hingegen ist nun kein Architekt, sondern ein Arzt aus der Notaufnahme - was ja auch wirklich Sinn ergibt, denn der Doktor weiß, wie man jemandem echte Schmerzen zufügen kann und ist zugleich in der Lage, seine eigenen Wunden zu versorgen.

Später Waffenfreund

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Vorerst gibt sich aber Dr. Kersey als richtiger Weichling, der nicht einmal einen lauten Wortwechsel mit einem ungehobelten Fußballfan erträgt, sondern lieber einen verbalen Rückzieher macht. Erst als seine Frau und Tochter von Einbrechern übel zugerichtet werden (die Frau erliegt kurz darauf ihren Verletzungen, das Mädchen ist ins Koma gefallen) beginnt er umzudenken und hält bald die erste Feuerwaffe seines Lebens in der Hand, um sich im Schnellverfahren anzueignen, was die meisten Amerikaner schon seit Jugendtagen können: schießen, schießen, schießen (wer sagt’s denn: 3 Treffer!!!). Wenn er dann durch die Gassen zieht, um böse Jungs umzunieten, verbirgt er sein Gesicht zwar unter einem Hoody, hat aber offenbar kein Problem damit, seine Fingerabdrücke freigiebig überall zu hinterlassen. Doch vielleicht ist die überforderte Polizei (hier durch Dean Norris aus "Breaking Bad" repräsentiert) ja sogar froh, wenn ihr etwas Arbeit abgenommen wird. Eine Pinnwand voll mit ungelösten Fällen soll uns diese Überforderung eindrücklich vor Augen führen. Als wichtigste Neuerung sind in der aktuellen „Death Wish“-Version selbstverständlich die sozialen Medien massiv eingebunden. Ein Video auf Youtube, das den Rächer mit dem Kapuzenpulli beim Abknallen von Autodieben zeigt, trägt ihm den Spitznamen ‚Grim Reaper‘ (Sensenmann) ein und sorgt für landesweiten Gesprächsstoff, wobei die positiven Stimmen überwiegen.

Halbherzige Waffenkritik

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Eli Roth spickt seine Gewalt-Action zwar mit ein paar Spitzen gegen den amerikanischen Schusswaffengebrauch und lässt ein Werbe-Video einspielen, das an den entsprechenden Clip "Chicks who love guns" aus "Jackie Brown" erinnert. Solche satirischen Momente werden aber durch den nachfolgenden Handlungsverlauf um ihre Wirkung gebracht, denn letztendlich erweisen sich gerade die im Laden der Waffennärrin gekauften Utensilien als überlebenswichtig.

Stärken und Schwächen des Drehbuchs

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Manches an dem Drehbuch erscheint sehr geschickt: so wird die Thematik immer wieder vorbereitet. Gleich in der ersten Szene kann der Doktor einem angeschossenen Cop nicht mehr helfen, eilt aber sofort in den nächsten OP-Saal, um dort womöglich das Leben des Todesschützen zu retten, während der Partner des Getöteten die Welt nicht mehr versteht. Auch Kerseys Schwiegervater, der sofort zum Gewehr greift, um Wilderer zu verscheuchen, legt ihm die Selbstjustiz nahe. Andererseits trägt das Skript aber zu dick auf: Sollen wir ernsthaft glauben, dass dieser Typ nicht nur seine neuerworbene Pistole, sondern auch schwere Kaliber wie ein alter Profi handhabt und einmal sogar beidhändig Schnellfeuerwaffen bedient, um echte Killer im Handumdrehen auszuschalten?

Zufälle und Wunder

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Außerdem verlässt sich die Story viel zu sehr auf unwahrscheinliche Zufälle (man achte darauf, wie der Arzt zum Beispiel wieder in den Besitz seiner gestohlenen Uhr gelangt); später passiert dann ein echtes Wunder, das von den Figuren auch als solches angesprochen wird und von vornherein ist klar, dass alles in ein relatives Happy End münden wird. Gerade bei Roth hätte man sich da schon ein paar unangenehm fiese Überraschungen erwartet. Stattdessen ist die Inszenierung für seine Begriffe ziemlich zurückhaltend ausgefallen und es wirkt so, als würden die einzelnen Szenen einfach streng nach Drehplan Punkt für Punkt abgehakt. Immerhin macht Willis als Teilzeiträcher eine gute Figur, wenn man ihm auch den anfänglichen Softie nicht abkauft.

6 von 10 freigelegten Ischiasnerven

franco schedl