"Das brandneue Testament": Versuchen wir's lieber mit einer Göttin!
Zugegeben – allzu viel hätten wir durch Gottes tatsächliches Ableben auch nicht versäumt, denn der Allmächtige ist ein schlechtgelaunter, boshafter alter Sack, der sich mit unterdrückter Frau und 10jähriger Tochter (sein Sohn hat bekanntlich anderswo Karriere gemacht) in einer Brüsseler Wohnung eingeigelt hat und fast die ganze Zeit vor dem PC verbringt. Ohne Computer wäre Gott nämlich völlig hilflos. Dank entsprechender Programme kann er aber Katastrophen über die Menschheit hereinbrechen lassen oder weltbewegende Gesetze aufstellen wie z.B.: ‚Wenn ein Marmeladebrot zu Boden fällt, muss es stets auf der bestrichenen Seite landen‘ oder: ‚Die benachbarte Warteschlange rückt immer schneller voran, als unsere eigene‘. Nachdem er sich einmal zu oft als Haustyrann aufgespielt hat, platzt seiner Tochter Ea der Kragen und sie setzt sich ab, nicht ohne zuvor noch aus Papas Computer an alle Menschen per SMS deren Sterbedaten weitergeschickt zu haben – eine Aktion, die als „Deathleak“ in die Geschichte eingehen wird. Das Mädchen wandelt fortan unter den belgischen Menschen und sucht sich sechs von ihnen aus, mit deren Lebensgeschichten sie ein neues Testament füllen will (ein Sandler dient ihr dabei als Stenograph und schreibt die Erzählungen mit).
Was folgt ist eine Präsentation dieser sechs unterschiedlichen Charaktere. Mit ihrer eigenen Sterblichkeit konfrontiert, brechen die Personen aus der einengenden Alltagsroutine aus und versuchen, in der mitunter knappen Zeit, die ihnen noch bleibt, Lebensträume zu verwirklichen. Eine von den neuen Aposteln ist übrigens Catherine Deneuve: als gelangweilte Wohlstandslady findet sie in einem Gorilla endlich den ersehnten verständnisvollen Lebenspartner. (So neu ist das aber auch nicht, denn bereits 1986 hatte Charlotte Rampling in „MaxMon Amour“ einen äffischen Liebhaber.)
Regisseur Jaco van Dormael wird der vielversprechenden Ausgangssituation leider nicht wirklich gerecht und verliert sich nach dem guten Beginn die meiste Zeit über in diversen Schrulligkeiten, sobald er seine Protagonisten auf den Selbstfindungstrips begleitet und ihre Geschichten beliebig auffächert. Unoriginell erscheint es zudem, dass er den Film im Stil von „Die fabelhafte Welt der Amèlie“ inszeniert.
Bevor alles in einem finalen Todestaumel versinkt, beginnt die allein in der Wohnung zurückgelassene Mama Gott auch noch mitzumischen, wodurch bewiesen wäre, dass die Menschheit unter einer Göttin viel besser aufgehoben ist. Trotz seiner Schwächen bietet „Das brandneue Testament“ somit einen göttlichen Spaß, der Theologen in Verzweiflung stürzen könnte. 7 von 10 allmächtigen Testamentsvollstreckern.