BUNTE PILLEN UND EIN SCHNELLER RENNER
Von Franco Schedl
Noch immer kein Bourne-Out-Syndrom, obwohl die geheimdienstliche Verwirraktion bereits in ihre vierte Runde geht? Oder sollten wir uns doch um Matt Damons psychische Gesundheit sorgen, weil er nicht mehr mit von der Agentenpartie ist und weder Jäger noch Gejagten spielt?
Angeblich ist sein Ausscheiden jedoch anderen Gründen geschuldet: da Regisseur Paul Greengrass, der die letzten beiden Bourne-Teile gedreht hatte, nun nicht mehr mitwirken durfte, wollte auch Damon aus Treue zu ihm keine weitere Mission übernehmen und brachte die Filmemacher dadurch in Verlegenheit. Das geänderte Aussehen einer Hauptfigur hat sich ja zumindest bei 007 niemals als Problem erwiesen; dort wird mit der Nummer offenbar auch gleich der Name weitergereicht, während Jason Bourne halt doch ein ziemliches Unikat bleibt. Daher musste eine völlig neue Figur erfunden werden, die man relativ plausibel in die bisherige Story einpassen konnte.
Operation Outcome das Nachfolge-Projekt der Jason-Bourne-Operation soll als Auswirkung des Bourne-Skandals vorerst gestoppt werden und alle Beteiligten stehen aus Vertuschungs-Gründen auf der Abschussliste, was durchaus wörtlich zu nehmen ist. Aaron Cross, einer der totgeweihten Agenten, weigert sich aber, das unschöne Schicksal zu akzeptieren, trickst die diversen Killerkommandos fachgerecht aus gelernt ist gelernt - und macht mit der gleichfalls für ein vorzeitiges Ableben bestimmten Ärztin Stephanie Snyder (Rachel Weisz) gemeinsame Sache soll heißen: sie beide gegen den Rest der (Agenten)Welt. Die übliche Konstellation somit, in der sich schon Bourne bisher bestens bewährt hat.
CIA-Agent Byer hingegen (ein schauspielerisch reichlich unterforderter Edward Norton) versucht das Davonkommen des Paares mit allen gewaltsamen Mitteln zu verhindern, was ihm sogar gelingen könnte, weil er als extrem verbissener Typ eingeführt wird - immerhin joggt er bei unserer ersten Begegnung um 4h früh durch strömenden Regen. Mit solchen Aktivitäten ist es aber rasch vorbei, da er fortan in allen möglichen Kommandozentralen auf Monitore starrt, um den flinken Cross im Auge zu behalten.
Das alles ist ja halbwegs vergnüglich anzuschauen und leidlich spannend, aber je mehr Zeit vergeht, umso deutlicher wird, dass hier gewaltsam eine Serie am Leben erhalten werden soll, was höchstens Sinn hätte, wenn Drehbuchautor und Regisseur Tony Gilroy der Geschichte tatsächlich interessante neue Aspekte abgewinnen könnte. Ein paar bunte Pillen als auslösende Faktoren für das hektische Geschehen reichen jedenfalls nicht aus.
Dabei wirkt Renner als neue Hauptfigur absolut nicht fehl am Platz, doch vor allem macht er seinem Namen alle Ehre und hetzt die meiste Zeit über wie ein menschlicher Windhund dahin, wobei ihn auch senkrechte Mauern oder Abgründe nicht bremsen; egal, ob das Hindernisrennen durch Alaskas gebirgige Weiten oder über Manilas Wellblechdächer führt. Sobald die wilde Jagd dann noch einige PS zulegt und sich in Form eines Motorradrennens abspielt, ist die Hoffnung gerechtfertigt, dass die 135 Filmminuten einem heiß erwarteten Finale zusteuern, weil der Mensch seine Zeit halt selbst bei einer Pressevorführung nicht gestohlen hat.
Vielleicht kommt es in einer zweifellos geplanten Fortsetzung zu einem echten Cross-Over zwischen Aaron Cross und Jason Bourne (vorausgesetzt, Paul Greengrass kann wieder zum Regieführen motiviert werden). Bis es so weit ist, vermache ich diesem Franchise-Produkt der Re-Bourne Inc. 7 von 10 giftgrünen Wunderpillen.