Blade Runner 2049: Drei Gründe, warum die Fortsetzung so gut wie das Original ist
Von Erwin Schotzger
"Blade Runner 2049" war von Anfang an ein Himmelfahrtskommando. Nur wenige Fortsetzungen von Kultfilmen wie Ridley Scott's "Blade Runner" aus dem Jahr 1982 schaffen es, mit dem Original qualitativ mitzuhalten oder der Geschichte eine relevante, neue Perspektive zu verleihen. Die Kritiken des Films sind gespalten. Während die visuelle Kraft des Films gelobt wird, zeigen sich insgesamt viele skeptisch (siehe auch unsere Filmkritik: "Blade Runner 2049": Die wahre Größe steckt in Einzelszenen).
Hohe Erwartungen
Misst man Denis Villeneuve's "Blade Runner 2049" an den unmittelbaren Reaktionen, ergibt sich ein zwiespältiges Bild: Die einen beklagen, der Film sei zu lang und sie seien beinahe oder tatsächlich eingeschlafen. Die anderen sehen in der Fortsetzung ein Meisterwerk, das es mit dem Original aufnehmen kann. Langsamkeit und Langeweile wurde übrigens auch beim Original immer wieder beklagt. Doch die Faszination beruht auch darauf, dass sich der Film dem Action-Trend der Zeit verweigerte und auf seine Charaktere setzte.
Auch der Erfolg an den Kinokassen könnte besser sein: Zwar spielte die Fortsetzung am ersten Wochenende 32,7 Millionen US-Dollar ein, aber die Erwartung lag bei 50 Millionen. Und schon am zweiten Wochenende sackten die Einnahmen an den US-Kinokassen um über 50 Prozent auf nur noch 15,1 Millionen US-Dollar ab. Die US-Medien schreiben bereits von einer "Box Office Bomb" (Flop) gemessen am Produktionsbudget von 155 Millionen US-Dollar.
Blade Runner: Kultstatus kam erst mit Director's Cut
Doch hier sollte nicht vergessen werden, dass Ridley Scott's "Blade Runner" im Jahr 1982 auch ein Flop im Kino war und ebenfalls ziemlich kritisch aufgenommen wurde. Nur bei einer Nische von Filmliebhabern kam der futuristische Film Noir an. Erst mit dem "Director's Cut" von 1992 und dem "Final Cut" (2007) wurde "Blade Runner" über die Jahre in die Meisterklasse gehoben – gemeinsam mit Klassikern wie Fritz Lang's "Metropolis" oder Stanley Kubrick's "2001". Filme über die viel geredet wird, die aber von den wenigsten auch wirklich gesehen wurden.
Stellt man die hohen Erwartungen an einen Vorgänger in Rechnung, der 25 Jahre Zeit hatte, zum Kultfilm zu reifen, kann "Blade Runner 2049" mit dem Original durchaus mithalten – vor allem aus folgenden Gründen:
Die visuelle Vision
Die visuelle Umsetzung einer futuristischen Vision ist im Kino ein Schlüsselelement der Erschaffung einer glaubhaften fiktiven Welt. Diese visuelle Vision ist das zentrale Vermächtnis von "Blade Runner". Es ist eine enorme Herausforderung, diese visuelle Vision nicht nur zu kopieren, sondern auch weiterzuführen – so dass ein Gefühl entsteht als ob in der Welt des Films 30 Jahre vergangen wären. Das ist Villeneuve und seinem Kameramann Roger Deakins gelungen.
Das Noir-Feeling des Originals bleibt erhalten, aber fühlt sich doch anders an. Alleine durch die Reduktion der Cyberpunk-Elemente wird deutlich, wie wenig Widerstand es nach 30 Jahren Hoffnungslosigkeit in dieser Welt gibt. Der technologische Fortschritt hat die Gesellschaft vor dem Kollaps bewahrt – zum Vorteil einiger Weniger. Die Welt ist dadurch nicht besser, sondern noch gefühlskälter und angepasster geworden. Jede gesellschaftliche Entwicklung ist völlig zum Erliegen gekommen. "Blade Runner 2049" entwickelt – ebenso wie das Original – eine eigene visuelle Vision dieser futuristischen Welt.
Die unmögliche Liebe
Im Zentrum des Originals steht das klassische Motiv der unmöglichen Liebe, selbst wenn Rachel kein Replikant wäre. Rick Deckard ist ein desillusionierter, abgebrühter Cop von der Straße. Rachel eine überhebliche, distanzierte Frau der Oberschicht. Die Liebesbeziehung zwischen Mensch und Maschine manifestiert die Unmöglichkeit nur noch stärker. Und dennoch finden beide zueinander. Die dritte Faszination dieser Love-Story ist ihre Leidenschaftslosigkeit: Sie findet in einer kalten, düsteren und sogar unmenschlichen Welt statt – gegen alle Widerstände und ungeachtet aller widrigen Umstände. Ganz ohne große Leidenschaft, aber mit Offenheit, Neugier und Zärtlichkeit.
Die unmögliche Liebe steht auch im Zentrum von "Blade Runner 2049", aber ganz anders als im ersten Teil und auf mehreren Ebenen. Zunächst einmal die Liebe zwischen K (Ryan Gosling) und Joi (Ana de Armas). Für das transzendentale Konzept der Liebe ist nichts unmöglich. Es funktioniert auch zwischen physischer Maschine und virtueller Simulation. Wie das Original schafft es auch "Blade Runner 2049" hervorragend die Emotionalität und das Dilemma dieser Beziehung in einem feindlichen, klinischen Umfeld zu vermitteln und in beeindruckenden Szenen darzustellen.
Die zweite Liebesgeschichte ist die zwischen Vater und Tochter. Diese Form der Liebe ist bei konstruierten, nicht geborenen Maschinen schlicht unmöglich. Und dennoch findet sie ihren Weg. Dabei geht es nur oberflächlich um die Messias-Geschichte vom Kinde, das geboren wird, um eine Zeitenwende einzuleiten. Diese Story ist keine Liebesgeschichte und spielt deshalb auch im Plot nur eine untergeordnete Rolle. Die Faszination der sich-selbst-fortpflanzenden Maschine ergibt sich hier vielmehr aus dem Aspekt, dass die Geburt eine lebenslange Liebesbeziehung begründet - ein unsichtbares emotionales Band, das nicht so einfach durchtrennt werden kann. Deckard findet seinen Weg zu Ana wie auch die Liebe immer ihren Weg findet.
Das Offenheit der Geschichte
Das legendäre Ende von "Blade Runner" macht einen ganz wesentlichen Teil der Faszination des Filmes aus. Dieses emotionale Andeuten ohne einer (rationalen) Festlegung lässt Raum für Fantasie. Überspitzt könnte man es sogar als Grundbaustein der Poesie bezeichnen. Genau wie das Original lässt auch "Blade Runner 2049" viele Interpretationsspielräume offen und vermeidet eindeutige Festlegungen, wo es nicht notwendig ist. Mit einer offenen Frage und möglichen Interpretation der Filmhandlung haben wir uns hier schon beschäftigt: Ist Deckard ein Replikant?
Die Geschichte des Originals wird geschickt weiter getragen. Villeneuve und Drehbuchautor Hampton Fancher beantworten zwar einige Fragen aus dem ersten Teil, aber stellen auch wieder neue Fragen. Sogar die ursprüngliche Liebesgeschichte wird skeptisch betrachtet, wenn angedeutet wird, dass die Zündung des Liebesfunkens zwischen Deckard und Rachel von vornherein geplant war, um fortpflanzungsfähige Replikanten zu schaffen.
Diese narrative Offenheit wird durch die überzeugende Bildsprache des Films unterstützt und spielt perfekt mit der Visualisierung der futuristischen Welt zusammen. Doch es ist auch eine Gratwanderung. Denn der einzige Makel von Villeneuve's Film ist die unnötige Überlänge. Die ausgefeilte CGI-Technologie führt gerade bei Filmen, die eine eigene visuelle Identität entwickeln wollen, zum Drang, die Zuschauer visuell beeindrucken zu wollen. Alles, was möglich ist, wird im Detail dargestellt. Eine Gratwanderung, die heute viele Filme in die Überlänge führt.
Ein kompakter Director's Cut von "Blade Runner 2049" müsste den Film um rund 20 unnötige Minuten kürzen statt verlängern - ohne dabei die visuelle Kraft und erzählerische Langsamkeit des Films zu verlieren. Wenn man die Geschichte des Vorgängers vor Augen hat, kann so ein Director's Cut ja nicht schaden.
Erwin Schotzger