BABYFACE + HUND ALS IDEALE SPIELBERG-HELDEN
Von Franco Schedl
Bei einer dermaßen teuren Hollywood-Produktion bringen die Macher nicht mal einen grammatikalisch korrekten Filmtitel zustande? Auf diesen Gedanken kommen vielleicht manch flüchtige Leser, die sich damit umgehend als Tim und Struppi-Neulinge sowie Landratte outen, denn mit Einhorn ist kein Tier sondern ein Schiff gemeint, wie Freunde des belgischen Comic-Künstlers Hergé seit 1943 wissen können, als das gleichnamige Album erstmals erschien.
Der Reporter mit dem Babyface und sein treuer Vierbeiner absolvierten zwar bereits 1929 ihren ersten gezeichneten Auftritt, doch erst rund 8 Jahrzehnte und eine Zeichentrickserie sowie zwei längere Animations- und ebenso viel Realfilme später, gelingt ihnen dank der vereinten Anstrengungen von Steven Spielberg und Peter Jackson ein würdiger Eintritt in die große Kinowelt. Den beiden ewig jung gebliebenen Film-Freunden haben wir mit Das Geheimnis der Einhorn nämlich den Auftakt einer 3D-Trilogie zu verdanken, die ganz im Geiste Hergés dessen papierenes Universum zum Leben erweckt und allen erdenklichen Ansprüchen an perfekte Kinounterhaltung gerecht wird. Hier erfüllt das Aufsetzen der entsprechenden Brillen nämlich nicht bloß reine Alibifunktion, sondern lässt uns tatsächlich in eine atemberaubende dritte Dimension eintauchen: ob auf stürmischer See oder inmitten der Sahara, Spielberg hat immer eine ungewöhnliche Perspektive parat und findet den richtigen Kamerawinkel, um optisch die beste Wirkung zu erzielen, während unsere Helden in alter Indiana Jones-Manier etliche wilde Verfolgungsjagden absolvieren, weil die zugrunde liegende Geschichte eine entsprechende Ausweitung und Aufwertung erfahren hat.
Auch die Wahl des Performance-Capture-Verfahrens macht sich bezahlt: bei dieser Technik stammen Bewegungsabläufe und Mimik von realen Darstellern und werden nachträglich auf die computergenerierten Figuren verpflanzt, weshalb Personen wie Jamie Bell, Daniel Craig und Andy Serkis oder Simon Pegg und Nick Frost nicht bloß als Stimmgeber fungierten, sondern nach vollem Körpereinsatz tatsächlich zu Recht einen Platz auf der Besetzungsliste beanspruchen dürfen. Ob für den Foxterrier auch ein echter Hund Vor-Bild-Funktion erfüllen musste, hat Spielberg allerdings nicht verraten.
Eine dritte glückliche Entscheidung besteht darin, dass Tims gefährliches Reportleben keine Verharmlosung erfährt: da wird z.B. ein Informant von einer Kugelgarbe durchsiebt und in einer Rückblende fällt die durch Piraten überwältigte Schiffsbesatzung der Einhorn Haien zum Opfer. Aber solche ernsten Szenen erfahren umgehend Auflockerung durch slapstickhafte Aktionen des trotteligen Ermittler-Duos Schultze & Schultze, und auch Struppi ist ein guter Garant für komische Einlagen. Zwar müssen wir vorerst auf den schrulligen Professor Bienlein verzichten, der alte Sauf- und Seebär Haddock treibt aber bereits sein chaotisches (Un)wesen, denn nur er kann am Ende der rätselreichen Schatzsuche zu einer Lösung beitragen, wodurch sich zwanglos eine Überleitung zu Teil 2 der Trilogie ergibt.
Nur in einer Hinsicht scheint Spielberg danebengegriffen zu haben. Jedenfalls hätte der Regisseur die Rolle des Sakharin gar nicht an Daniel Craig übertragen müssen, sondern sie gleich selber übernehmen können, da ihm der Bösewicht wie aus dem (jüngeren) Gesicht geschnitten ist, als er noch einen schwarzen Vollbart hatte (wohinter sich kein netter Filmgag verbirgt, weil der Typ im Comicalbum genauso aussieht, dort allerdings keine so entscheidende Rolle spielt).
Geheimnis braucht man keines daraus zu machen: dieser Film hat 9 von 10 goldenen Einhörnern verdient (und Spielberg verdient sich wahrscheinlich eine goldene Nase damit).