Filmkritiken

"Baby Driver": Der richtige Sound zu kriminellen Fahrkunststücken

So jung und schon einen Führerschein? Diesem Burschen, der sich selbst nur Baby nennen, scheint die Beherrschung von Autos in die Wiege gelegt worden zu sein und seinem Spitznamen zum Trotz benötigt der ungefähr Zwanzigjährige natürlich auch längst keinen Babysitz mehr, um ans Steuer zu gelangen. Außerdem bezieht sich der Filmtitel ja auf die gleichnamige Nummer von Simon & Garfunkel, und tatsächlich spielt Musik hier sogar die wichtigste Rolle, weil der ziemlich autistisch wirkende Lenkradvirtuose ständig den richtigen Song im Ohr haben muss, um seine Fahrkünste voll zu entfalten.

Ein Gangster und viele Soziopathen

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Baby, dessen wahren Namen wir erst ganz zuletzt erfahren, wendet sein besonderes Talent notgedrungen für kriminelle Zwecke an. Der Gangster Doc (ein gleichermaßen bedrohlich und väterlich auftretender Kevin Spacey) betrachtet den Jungen nämlich als seinen persönlichen Glücksbringer und setzt für alle penibel ausgetüftelten Coups nur ihn als Fluchtwagenfahrer ein.

Leider sind die wechselnden Komplizen – zu denen auch Jamie Foxx gehört - fast ausschließlich extreme Soziopathen und als sich Baby dann auch noch in eine musikbegeisterte Kellnerin (Lily James) verliebt, die von seinem gefährlichen Job nichts mitbekommen soll, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis etwas gründlich schief läuft – es gibt Blechschaden, Schusswechsel, Tote und Verletzte, ein Liebespaar auf der Flucht und alles, was bei einem solchen Desaster sonst nicht fehlen darf.

Wrights neuer Erzählton

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Edgar Wright hat für dieses lange geplante Projekt nicht nur erstmals in Amerika gedreht, sondern zudem die Tonart seiner früheren Filme gewechselt: während er bisher ein Spezialist für kultverdächtige Horror-, Krimi- und SciFi- Komödien wie „Shaun of the Dead“ , „Hot Fuzz“ oder „World’s End“ – auch Cornetto-Trilogie genannt - gewesen ist, legt er mit „Baby Driver“ nun einen ernstzunehmenden Actionthriller vor. Dabei hat er sich in Sache manisch drauflosplappernden schweren Jungs zweifellos am übermächtigen Vorbild Tarantino orientiert, was aber nicht bedeutet, dass wir es bloß mit einer uninspirierten Neuauflage von „Reservoir Dogs“ zu tun haben, denn Wright entwickelt eine beachtliche Eigenständigkeit.

Bild- + Ton-Symbiose

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Oft sind gar keine durchdrehenden Reifen nötig, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Da wird bereits ein Gang ins Coffee-Shop zu einer aufregenden Vorspannsequenz, weil der Junge mit iPod-Stöpseln im Ohr durchs Großstadtgewimmel tänzelt, ein paar Becher Kaffee kauft und wieder an seinen Ausgangspunkt zurückkehrt - und das alles in einer ungeschnittenen, beschwingt choreographierten Szene. „Baby Driver“ hat nämlich nicht nur eine extrem spannende Story zu bieten, sondern zeigt uns zugleich, wie man Bild und Ton perfekt aufeinander abstimmt. Jede Szene vibriert förmlich vom satten Sound der Motoren und Popsongs (und manchmal kommt noch ein Tinnitusgeräusch hinzu, weil Babys Ohren seit einem schlimmen Kindheitserlebnis ziemlich bedient sind).

Erst gegen Ende beginnt diese ungewöhnliche Bankraub- und PS-Romanze leider etwas zu schwächeln, was mit einem Bedürfnis nach moralischer Läuterung zusammenhängt, aber bis dahin legt der Film ein Tempo vor, das kaum zu toppen ist.

9 von 10 benzingetränkten Punkten

franco schedl

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