"Assassin's Creed": Der Paradiesapfel kann uns gestohlen bleiben
Der verurteilte Mörder Lynch wird durch eine geheimnisvolle Organisation, hinter der eigentlich die Templer stecken, vor der Hinrichtung bewahrt, weil er eine ganz besondere Frucht ausfindig machen soll: den bekannten Apfel aus dem Garten Eden, mit dessen Hilfe man - eh klar - die Weltherrschaft erringen kann. Ein Vorfahr von ihm, der dem Geheimbund der Assassinen angehörte, wüsste zwar, wo man das Paradiesobst findet, bloß hat dieser Aguilar de Nerha bereits im Spanien des 15. Jahrhunderts gelebt. Kein Problem für die Templer! Sie verkoppeln Lynch mit einer Maschine namens Animus, die es ihm ermöglicht, seinen Geist mit dem Aguilars zu verbinden. Fortan agiert er also auf zwei Zeitebenen zugleich: in der Gegenwart, wie an einem Roboterarm hängend, und im Spanien der Inquisition, wo er alles durch die Augen des alten Kämpfers erlebt. Michael Fassbinder erscheint fast als neuer Wolverine, nachdem er bei seinem Vorfahren einen genetischen Lehrgang in Sachen Kampfkunst absolviert hat.
Visuelle Freuden
Das Computerspiel der Marke ‚ Ubisoft‘ wurde nun also endlich auf einen nächsten Level gehoben und kinotauglich gemacht. Ob die Gamer-Community darüber wirklich froh sein wird, muss sich erst zeigen. Ich selber schreibe jedenfalls aus der Perspektive eines, der noch niemals mit dem Gamepad in der Hand einen Assassinen herumgescheucht hat. So viel ist mir allerdings klar: eine visuelle Besonderheit des Spiels wurde beibehalten. Auch hier versetzt uns Regisseur Justin Kurzel (dem wir im Vorjahr eine überzeugende „Macbeth“-Version zu verdanken hatten) immer wieder in die Raubvogelperspektive - durch Wolkenfelder stoßen wir herab und vor uns tun sich gewaltige Landschafts- und Städtepanoramen auf; und die Protagonisten stürzen sich bei den wilden Kampfszenen in Abgründe oder turnen über Dächer und Straßenschluchten hinweg.
Unterforderte Stars
Optisch ist der Film somit absolut überwältigend, doch die Erzählweise lässt oft zu wünschen übrig: wir bekommen mitunter eine etwas überhastete Aneinanderreihung von Szenen geboten, mit Figuren, die kaum charakterisiert werden. Am ehesten profiliert sich noch Jeremy Irons in der Rolle eines abgehärmten Fanatikers, dessen Wortgewandtheit sogar Personen aus seiner nächsten Umgebung hinters Licht führen kann. Stars wie Marion Cotillard, Brendan Gleeson oder Charlotte Rampling, die nun wirklich etwas von ihrem Job verstehen, sind jedoch meist auf verlorenen Posten. Wobei der Eindruck des Abgehackten sicherlich auch auf massive Kürzungen zurückzuführen ist, da der Film ursprünglich eine um 30 Minuten längere Laufzeit haben sollte, ehe die Produktionsfirma ein Machtwort gesprochen hat.
Dan Brown-verdächtig
Dennoch ist die Story nicht schwächer oder grotesker als ein x-beliebiger Dan Brown-Roman. Während in „Inferno“ kürzlich Dantes Totenmaske einen wichtigen Beitrag zur Lösung eines Historienrätsels geliefert hat, kommt hier dem Grabmal eines berühmten Entdeckers ähnliche Bedeutung zu. Man kann nur hoffen, dass der Paradiesapfel nicht in falsche Hände gerät, oder zumindest von den richtigen wieder gestohlen wird.
7 von 10 Paradiesapfelbutzen
franco schedl