Filmkritiken

"Am Strand": Ehevollzugsprobleme

Ob das wohl gut geht? Im Jahr 1962 hat das junge Paar Florence (Saoirse Ronan aus „Lady Bird“) und Edward ( Billy Hoyle aus „Dunkirk“) gerade geheiratet, verbringt den Hochzeitstag in einem Hotel an der britischen Küste und bereitet sich nun im Zimmer darauf vor, etwas zu tun, was man landläufig „die Ehe vollziehen“ nennt. Da jedoch beide extrem unerfahren sind, wird das nicht so einfach und man muss unweigerlich an einen Satz aus Loriots berühmtem Sketch „Liebe im Büro“ denken: „Aber es muss gehen – andere machen es doch auch.“ Zum Lachen soll uns dieser Film allerdings sicher nicht bringen; dafür sind seine Untertöne zu ernsthaft.

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Ein ungleiches Brautpaar

Florence hat sich zwar in einem Sex-Handbuch vorsorglich darüber informiert, wie das zwischen Mann und Frau eigentlich ablaufen sollte, doch sie hat große Probleme mit jeder Form von Intimität und ist auch schon früher immer in Panik geraten, sobald die Beziehung über Händchenhalten und gelegentliche Küsse hinauszugehen drohte. Durch dezente Andeutungen und kurze Erinnerungsbilder wird allmählich klar, dass dieses Verhalten mit einem Erlebnis in ihrer Vergangenheit zusammenhängt. Die Unterschiede zwischen den beiden Lieben sind zudem auch unübersehbar: Der etwas bullige Junge wird von den Schwiegereltern zunächst als Bauerntölpel eingeschätzt. Tatsächlich verfügt er über ein aufbrausendes Temperament und war früher öfter in Schlägereien verwickelt. Auch sein Musikgeschmack ist eher bodenständig: er liebt den neue „Rock’n’Roll“, während seine Braut als Leiterin eines Quintetts klassische Werke spielt. Doch das sind eher zweitrangige Probleme – die Gründe für das mögliche Scheitern dieser jungen Ehe liegen ganz woanders. Ein Gespräch am Strand kann zwischen den frisch Verheirateten vielleicht noch alle Missverständnisse klären und die Ängste beseitigen, obwohl es eher nicht danach aussieht.

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Ein Hotelzimmerspiel

Theaterprofi Dominic Cooke hat sich für einen ersten Spielfilm Ian McEwans Bestseller aus dem Jahr 2007 als Vorlage gewählt. Bei seiner Regieführung kann er die Herkunft von der Bühne nicht verleugnen und so wird das Werk über weite Strecken zu einem echten Kammer- oder zumindest Hotelzimmerspiel. Die Konzentration auf den einen eng begrenzten Schauplatz soll durch ständige Rückblenden aufgelockert werden, in denen wir etwas über die Vorgeschichte des Paares und seine familiären Hintergründe erfahren. Doch diese Erzählstruktur verleiht dem Film auch eine gewisse Schwerfälligkeit und bewirkt ein Gefühl des Auf-der-Stelle-Tretens.

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Rückblenden und Blicke in die Zukunft

Natürlich kann man das als Stilmittel verstehen, um die quälende Situation der beiden jungen Eheleute – ihr ängstliches Hinwarten und Hinauszögern – auch auf das Kinopublikum zu übertragen, doch es stellt sich beim Zuschauen trotz bestem Durchhaltewillen und großartigen schauspielerischen Leistungen schließlich ein Ermüdungseffekt sein. Erst in der letzten halben Stunde lässt der Film die Enge des Hotelzimmers hinter sich, durchbricht die bisher durchgehaltene Rückblenden-Struktur und vollzieht ein paar unerwartete Zeitsprünge in die Zukunft, die dann aber leider allzu krampfhaft angestückelt wirken. Eigentlich dienen sie nur dazu, damit ein vor langer Zeit gegebenes Versprechen endlich eingelöst werden kann, und die Handlung schlägt nun fast ins Melodrama um.

Privat dürften Saoirse Ronan und Billy Hoyle jedenfalls bestens miteinander auskommen, denn für eine Verfilmung des Cechov-Stücks „Die Möwe“ sind sie gleich noch einmal gemeinsam vor die Kamera getreten.

6 von 10 (Ent)Scheidungsgründen

franco schedl