Filmkritiken

"Alles Geld der Welt" auf Netflix: Zu geizig für das Lösegeld

Wäre es nicht schön, den reichsten Mann der Welt zum Großvater zu haben? Zweifellos, aber bitte nur, wenn der alte Herr nicht J. Paul Getty heißt. Der Öl-Magnat war nämlich dermaßen geizig, dass sogar ein Schotte noch etwas von ihm lernen konnte. Für Kunstwerke blätterte er zwar schon mal Millionen hin - aber würde er das auch tun, um ein Menschenleben retten?

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Als sein Enkel Paul 1973 in Rom entführt wird, denkt er gar nicht daran, die geforderten 17 Millionen Dollar zu zahlen, da man Lösegeld nicht von der Steuer absetzen kann. Außerdem ist er um ein weiteres gutes Argument nicht verlegen: er habe noch 13 andere Enkel und wo käme man da hin, wenn man potentiellen Kidnappern signalisiere, dass Mr. Getty erpressbar sei?

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Ringen um das Lösegeld

Für Pauls Mutter (Michelle Williams) beginnt ein zähes Ringen, denn die verzweifelte Frau steht zwischen den Fronten: einerseits muss sie mit den Entführern verhandeln und verhindern, dass ihrem Sohn ein Leid geschieht, andererseits versucht sie, das steinerne Herz ihres Schwiegervaters zu erweichen und erhält dabei Hilfe von einem Ex-Agenten (Mark Wahlberg), der eigentlich für den Milliardär arbeitet, aber bald erkennt, dass das vielleicht ein Fehler war.

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Plummers Rekordleistung

Ridley Scott inszeniert das wahre Entführungsdrama wie einen packenden Thriller und weckt Erinnerungen an die große Zeit des italienischen Kinos Anfang der 70er Jahre, als Kidnapping, Mord, korrupte Polizisten, Selbstjustiz, der Kampf gegen die Mafia und Verfolgungsjagden die Plots dominierten. Dabei verfügte der Regisseur über einen besonderen Joker, den er in Gestalt von Christopher Plummer erst ganz zuletzt ausspielte.

Man mag geteilter Meinung darüber sein, weshalb das Privatleben eines Schauspielers zum Boykott eines Films führen sollte, aber im Zug der Enthüllungen über Kevin Spacey traf Scott die Entscheidung, dessen Gesicht aus seinem Film komplett zu tilgen. Daher übernahm Plummer den anspruchsvollen Part des Milliardärs und benötigte für den Neudreh der umfangreichen Rolle bloß neun Tage. Allein für diesen Rekord hätte er sich die Oscar-Nominierung vollauf verdient. Aber auch so wird seine Leistung zu einer Sensation: er verleiht dem alten Knauser das Format eines shakespeareschen Königs, den man zugleich bewundert, verabscheut und bemitleidet.

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Kinogerechtes Finale

Die Entführungsaffäre hat sich damals volle fünf Monate hingezogen und dass für das Opfer zumindest der Verlust eines Körperteils bevorsteht, wird bereits durch das Filmplakat angedeutet. Selbst wenn wir uns über den Ausgang des Kriminalfalls zuvor durch eine Internetrecherche informiert haben, bleibt Scotts Film spannend bis zur letzten Sekunde, obwohl das Finale in den verwinkelten Gassen eines kleinen Bergdorfs dann etwas übertrieben wirkt und der echter Fall bestimmt ein viel unspektakuläreres Ende gefunden hat.

8 von 10 malträtierten Ohren

franco schedl