"A Quiet Place": Jedes Geräusch kann tödlich sein
Von Franco Schedl
Stille, stille, kein Geräusch gemacht – sonst kommt nämlich das böse Monster und reißt dich mit seinen Klauen in zwei Hälften. Nachdem unsere Welt offenbar von einer außerirdischen Spezies überfallen wurde, die zwar augenlos ist, aber dafür über das perfekte Gehör verfügt, um ihre Opfer aufzuspüren, haben sich Ortschaften in Geisterstädte verwandelt und die überlebenden Menschen versuchen so geräuschlos wie möglich durch den Alltag zu kommen. Allzu viele von ihnen dürfte es aber gar nicht mehr geben – zumindest werden wir in diesem Film kaum jemand anderen als die paar Hauptfiguren zu Gesicht bekommen. Evelyn (Emily Blunt), ihr Mann Lee (Regisseur John , der auch im wahren Leben Blunts Ehemann ist) und drei Kinder bewohnen ein abgelegenes Farmhaus und verständigen sich nur mittels Gebärdensprache, was ihnen von vornherein leichtfällt, da ihre Tochter fast gehörlos ist.
Leben am unteren Geräuschlimit
Hier ist Selbstdisziplin gefragt, denn jedes unbedachte Wort könnte dazu führen, dass ihnen das Monster den Kopf abbeißt, jede umgestoßene Glasflasche kann eine Katastrophe heraufbeschwören, jedes Auflachen, jeder Schmerzensschrei und jede sonstige Gefühlsregung sind zu unterdrücken. Höchstens hinter dem Geräuschschirm eines Wasserfalles kann man sich dann wirklich gehen lassen und nach Herzenslust losschreien.
Auf diese Weise sind sie schon beinahe 500 Tage seit dem Eintreffen der mordgierigen Bestien am Leben geblieben – nur einmal hat sich etwas Tragisches ereignet. Doch dann beginnt alles schief zu laufen: die umherstreifenden Kreaturen werden durch ein paar unglückliche Zufälle angelockt und dringen sogar bis ins Badezimmer vor, wo Evelyn gerade allein und hilflos in den Wehen liegt (und unter solchen Bedingungen für Nachwuchs zu sorgen, ist sowieso keine gute Idee)
Beinahe ein Stummfilm
Diese Geschichte könnte von M. Night Shyamalan stammen (wer würde nicht gleich an „Signs“ denken?) und die Ausgangssituation ergibt ein paar äußerst effektvolle Momente, die mit einfachsten Mitteln pures Spannungskino garantieren. Krasinski hat mit Einsatz von vielen Untertiteln einen fast völligen Stummfilm gedreht, bei dem wir auf jedes noch so kleine Geräusch achten und wohl unwillkürlich selber mehrmals den Atem anhalten. Gleich zu Beginn wird dem unvorbereiteten Kinobesucher ein richtiger Schock versetzt: weil der Junior beim lebensgefährlichen Einkaufsbummel die Finger nicht von einem batteriebetriebenen Spielflugzeug lassen kann, kommt es auf dem Heimweg zu einem folgenschweren Zwischenfall.
Die Monster sind ganz Ohr
Der Film überlässt vieles unserer Phantasie. Die Vorgeschichte müssen wir uns beispielsweise anhand von Zeitungsausschnitten selbst zusammenreimen. Auch die alienartigen Monster bleiben zunächst nur blitzschnell vorbeihuschende Schemen und erst gegen Ende bekommen wir sie in all ihrer bizarren Pracht zu sehen, wenn sie ganz Ohr sind (und darin besteht ja ihre Hauptaufgabe). Was mir persönlich aber nicht einleuchten will, ist der Umstand, dass niemand versucht, die insgesamt drei Ungeheuer in eine Geräusch-Falle zu locken, um aus sicherer Entfernung herauszufinden ob sie wirklich gegen Schusswaffen, Elektrizität oder Feuer resistent sind.
Drastische Konsequenzen
Krasinski war zweifellos sehr in sein Konzept verliebt, doch wenn man die Sachlage konsequent zu Ende denkt, ist sie nicht mehr so überzeugend. Obwohl die Handlung über ein Jahr umfasst, spielt sie stets zu einer Jahreszeit, in der man bedenkenlos bloßfüßig gehen kann. Was haben sie wohl im Winter getan, wenn jeder Schritt im Schnee ein verräterisches Knirschen hervorruft? Noch erstaunlicher finde ich fast, wie diszipliniert diese Figuren alle sind: sie verfügen über eine derart perfekte Körperbeherrschung, dass sie niemals husten oder niesen und sich schnäuzen müssen. Oder, um meine Skepsis noch drastischer auszudrücken: in einer Welt, wo jeder Furz der letzte sein kann, ist es toll, dass sie keine Blähungen haben.
8 von 10 geräuschlosen Alarmsirenen