US-Amerikaner sind gerne stolz auf ihr Land: ganz besonders am vierten Juli, dem Unabhängigkeitstag. Da gedenken sie der Gründung ihrer Nation, und wie weit sie es seitdem gebracht hat. Besonders augenfällig ist, wie sehr die USA seitdem gewachsen sind: angefangen von dreizehn britischen Kolonien an der amerikanischen Ostküste, haben sie ihr Territorium über den gesamten Kontinent ausgedehnt. Ende des 19.Jahrhunderts kamen auch noch Gebiete in der Karibik und im Pazifik hinzu, und heute unterhält das amerikanische Militär viele Hunderte von Stützpunkten auf der ganzen Welt.
Der Dokumentarfilm AMERICAN EXPANSION des europäischen Journalisten und Filmemachers Herbert Krill, der einen Großteil seines Lebens in den USA verbracht hat, schildert das Wachstum der USA aus seiner Sicht. Es ist eine Perspektive der Nähe und Distanz; von Zuneigung und Spott; Besorgnis und Humor. Der Film zeigt, wie schwierig es war, das weite Land westlich der Appalachen zu besiedeln; er gedenkt jedoch auch der indianischen Ureinwohner, die so vieles verloren haben und erst nach und nach eine Balance zwischen ihrer eigenen und der amerikanischen Welt finden.
Absicht des Films ist, dem Zuschauer das Verständnis für die Anschauungen und Handlungen der heutigen Amerikaner zu erleichtern. Die Weite und ursprüngliche Wildnis des Kontinents haben die amerikanische Psyche wesentlich geformt und "den Amerikaner" zu dem werden lassen, der er heute ist. Die Frontier, die Siedlungsgrenze, der "Wilde Westen", ist zu einem amerikanischen Urmythos geworden, der heute mehr denn je in Museen, Gedenkstätten, Gedenktagen und Publikationen gefeiert wird. AMERICAN EXPANSION zeigt ein wesentliches Beispiel davon: das "Nachspielen" der historischen Erkundungsfahrt von Lewis und Clark, die vor genau zweihundert Jahren mit dreißig Mann quer durch den damals noch weitgehend unbekannten Kontinent bis an den Pazifik gelangten.
Die Gründungsväter der jungen Nation, allen voran der spätere Präsident Jefferson, waren aufgeklärt und rational denkende Menschen des 18.Jahrhunderts. Viele ihrer Ansichten und Ziele sind noch heute wirksam: die Vermessung des Landes etwa, in regelmäßige, quadratmeilengroße Parzellen, hat der amerikanischen Lebensweise ihren Stempel aufgedrückt. Auch das Denken und Fühlen ist davon beeinflußt: oft glauben Amerikaner, der gerade Weg führe am schnellsten zu einer Lösung. So erklärt es die Historikerin Patricia Limerick, die das Center of the American West an der Universität von Colorado leitet.
Mehrere andere hochkarätige Experten kommen in AMERICAN EXPANSION zu Wort: etwa der bei San Diego lebende Politologe Chalmers Johnson, unter anderem Autor des Buches Ein Imperium verfällt. "Amerikanische Geschichte war schon immer eine Geschichte der Expansion," meint er pessimistisch. Für Robert Zubrin dagegen, Präsident der "Mars Society", ist Expansion dagegen ein positiver Begriff. Er ist der Meinung, daß man schon längst zum Mars fliegen sollte und auch könnte, gäbe es nur genügend politischen Willen und/oder potente Geldgeber: "Der Mars ist ein großes Abenteuer. Und Amerikaner können es fühlen."
Wachstum aber auch auf der Erde, im persönlichen Bereich: das Fahrzeug, immer schon ein unverzichtbarer Bestandteil des amerikanischen Mythos wie des Alltags, ist weiter hochgerüstet worden. Heute fährt man im "SUV", dem "Sports Utility Vehicle", eigentlich ein Militärfahrzeug mit Allradantrieb, das jedoch hauptsächlich nur zum commute, der Fahrt in die Arbeit, und zum Shopping genutzt wird. Es ist voluminös, man sitzt wie auf hohem Roß, hat das trügerische Gefühl von Sicherheit, und verbraucht ziemlich viel Benzin. Darüber spricht der kalifornische Historiker und Stadtsoziologe (Ökologie der Angst) Mike Davis; und auch Paul Campos von der Universität von Colorado bezieht sich darauf. Dieser weist jedoch auch noch auf ein anderes amerikanische Phänomen hin: die immer mehr verbreitete Fettleibigkeit der Amerikaner. "Die eigentlich Dicken sind die oberen Klassen der Amerikaner," meint er. Sie sind zwar physisch dünn, fahren aber dicke Autos und verbrauchen dadurch viel mehr Ressourcen als die dicken Menschen, die eher aus den unteren Schichten stammen."
Noch ein wichtiger Bestandteil der amerikanischen Landschaft, geografisch wie psychisch gesehen: schon seit Jefferson will jeder rechte Amerikaner ein eigenes Haus besitzen. Und wenn es auch nur ein standardisiertes Haus in den Vororten ist: "Hier - und nirgendwo sonst auf dem Planeten - kann ich tun und lassen, was ich will," erklärt eine stolze Hauseigentümerin, die vor einigen Jahren um 160.000 Dollar ein Haus gekauft hat, das in Mitteleuropa kaum zum doppelten Preis erschwinglich wäre. Allerdings steht es in der Wüste, in Las Vegas, dem am schnellsten wachsenden Stadtgebiet Amerikas. Im Sommer kann es auch schon über 40 Grad im Schatten haben. Amerikanern macht das nichts aus: erstens haben sie Klimaanlage, zweitens sind sie ja Abkömmlinge der Pioniere.
AMERICAN EXPANSION beschreibt einen weiten Bogen: zeitlich gesehen, weit über zweihundert Jahre: von der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung bis heute, und gibt Ausblicke in die Zukunft. Geografisch hält sich der Film vor allem im amerikanischen Westen auf, von Nebraska und Kansas über Colorado, in die Mojave-Wüste bis nach Kalifornien. Letztlich befaßt er sich jedoch mit der ganzen Welt, sofern sie unter amerikanischer "Schutzherrschaft" steht, und geht schließlich zum Weltraum über, bis zum Mars. Den Zuschauer erwartet ein Road Movie, das viele Winkel des amerikanischen Imperiums und der amerikanischen Psyche beleuchtet.
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Details
- Regie
- Herbert Krill
- Kamera
- Roland Breitschuh