"A War": Kriegsfront in der Heimat

„Game of Thrones“-Star Pilou Asbæk muss sich als dänischer Soldat vor dem Militärgericht für den Tod von Zivilisten verantworten
Auslandsoscar-nominiert: Tobias Lindholm stürzt dänischen Soldaten ins moralische Dilemma.

Tobias Lindholm, Regisseur von "A War", zählt zu den unaufhaltsamen Aufsteigern des (dänischen) Filmgeschäfts. Der heute 38-jährige machte sich zuerst als Drehbuchautor einen Namen: In Dänemark für die beliebte Polit-TV-Serie "Borgen", international für seine Arbeit als Co-Autor von Thomas Vinterberg. Mit ihm schrieb er Bücher für Erfolgsfilme wie "Die Jagd" oder zuletzt "Die Kommune". Lindholm reüssierte auch wiederholt als Filmemacher. Für seinen zweiten Spielfilm "A War" erhielt er eine Nominierung für den Auslandsoscar.

In "Krigen" – so der dänische Originaltitel – macht er auf den ersten Blick nichts falsch. Im Gegenteil: Mit seinem fesselnden Drama über einen Soldaten, der beschädigt aus dem Krieg zurückkehrt, befindet er sich seit Kathryn Bigelows "The Hurt Locker" in bester Gesellschaft. Eine fahrige Handkamera stürzt sich irgendwo in Afghanistan ins Kriegsgeschehen. Hautnah klebt sie sich an die Körper dänischer Soldaten, die keuchend sandfarbene Hügellandschaften kontrollieren. Eine Mine geht los, ein Soldat stirbt, die Nerven liegen blank. Der Truppenführer Claus – konzentriert gespielt von "Game of Thrones"-Star Pilou Asbæk – kämpft darum, die demoralisierten Soldaten wieder aufzubauen.

Mit der gleichen bewegten Handkamera folgt Lindholm auch dem Alltag von Claus’ Ehefrau in Dänemark. Allein mit drei kleinen, oft schwierigen Kindern, steht sie stark unter Druck – und die gereizten Bilder erzeugen eine Kontinuität zwischen der Kriegsfront und der Front zu Hause. Der Vater fehlt, die Mutter ist überfordert, die Kinder renitent. Effektvoll bemüht sich Lindholm darum, den familiären Stress der Mutter gleichberechtigt mit dem ihres Mannes zu erzählen: Es findet eine Art Transfer der Affekte statt.

Hinterhalt

In Afghanistan gerät Claus inzwischen mit seiner Truppe in einen Hinterhalt. Nicht nur kann er einer afghanischen Familie den versprochenen Schutz nicht bieten. Er gibt einen militärisch nicht legitimierbaren Befehl, und elf Zivilisten sterben.

An diesem Punkt verdichtet sich "Krigen" zu einem intensiven Gerichtssaaldrama. Claus steht unter Anklage: Hat er richtig gehandelt?

Er selbst findet, nein, hat er nicht. Aber die Ehefrau setzt ihm zu: Er müsse seine Schuld ableugnen, sonst komme er ins Gefängnis. Das würde die Familie, die Kinder zerstören.

Ihr Anliegen, so berechtigt es ist, hat etwas Mitleidloses dem zermürbten Mann gegenüber. Nichts geht über die eigene Familie, und Afghanistan ist weit. Mitleidlos auch die Staatsanwältin: Sie verteidigt die toten Zivilisten, doch scheint es ihr vor allem darum zu gehen, einen Soldaten zu demontieren.

"A War" ist ein durchwegs hervorragend gespieltes, routiniert fotografiertes, bis zum Kalkül durchdachtes, packendes Arthouse-Drama.

Doch sind es gerade die Frauenfiguren, mit denen sich Lindholm schließlich verrät. Vorgeblich ausgewogen, erzählt er von einem moralischen Dilemma, das alle – Männer, Frauen, Kinder – betrifft; von der Schwierigkeit einer Kriegsgerichtsbarkeit; von der Asymmetrie zwischen Europa und einem Kriegsschauplatz. Aber tief im Inneren, während das Verfahren noch schwebt, hat er sich längst entschieden – für die Männer, für den Soldaten.

Alexandra Seibel

INFO: DK 2015. 115 Min. Von Tobias Lindholm. Mit Pilou Asbæk, Tuva Novotny, Charlotte Munk.

KURIER-Wertung:

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